Die Rolle Deutschlands im Kontext der Energiewende. Eine ethische Untersuchung normativer Zielkonflikte unter besonderer Berücksichtigung des Braunkohleausstiegs

Der Klimawandel, die Energiewende in Deutschland und damit auch der Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier verlangen nach einem interdisziplinären Lösungsansatz. Die Untersuchung normativer Zielkonflikte der deutschen Energiewende im Rahmen der Doctoral School „Closed Carbon Cycle Economy“ ist daher ideal, um ein weites Spektrum an Faktoren berücksichtigen zu können. Die Arbeit von Ethiker*innen kann hier gleichermaßen von anderen Disziplinen bereichert werden wie auch wichtige Impulse für Wissenschaftler*innen aus anderen Fachbereichen setzen.

Als reiche Industrienation ergeben sich für Deutschland im Zusammenhang des Klimawandels besondere Pflichten und Verantwortungen. Mit dem Pariser Klimaabkommen hat die Staatengemeinschaft zugesagt, den Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Deutschland kann seine Klimaziele nur mit einer Energiewende erreichen. Ein möglichst schneller Ausstieg aus der Braunkohle ist notwendig, um diesen Wandel voranzutreiben. So hat die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung empfohlen, bis spätestens 2038 komplett aus der Braunkohleverstromung auszusteigen.

Auch aus moralischer Sicht sind ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen gefordert. Business as usual und der damit einhergehende Klimawandel bedrohen die Lebensgrundlagen von Menschen. Bereits heute werden durch ein verändertes Klima elementare Rechte verletzt. Die Betroffenen leben insbesondere in den Ländern, die nicht oder nur wenig zu dieser Situation beigetragen haben. Es ergeben sich hier also dringende Gerechtigkeitsfragen.
Dem entgegen steht, dass drastische Klimaschutzmaßnahmen, wie ein schneller Kohleausstieg, innerhalb Deutschlands zu moralisch problematischen Konsequenzen führen. Für viele Menschen bedeuten derartige Maßnahmen den Verlust ihrer ökonomischen Sicherheit. Weiterhin besteht zu befürchten, dass die Energiesicherheit gefährdet ist, was wiederum Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hätte. Auch sollte bedacht werden, dass sehr drastische Änderungen der Lebensstandards der Bevölkerung möglicherweise nicht zumutbar sind.

Aus ethischer Sicht müssen daher die verschiedenen Konsequenzen der Energiewende genauestens untersucht und gegeneinander abgewogen werden. Widersprüchlich gegenüber stehen sich hier vor allem Aspekte des Umweltschutzes, wirtschaftliche Interessen, Rechte zukünftiger und jetziger Generationen sowie die Frage nach der Versorgungssicherheit. Die Untersuchung dieser Zielkonflikte wird auf drei, sich gegenseitig beeinflussenden, Ebenen stattfinden: der globalen, der nationalen und der lokalen.

Das Ziel des Projekts ist es, einen Ansatz zu entwickeln, mit dessen Hilfe Zielkonflikte aufgelöst werden können beziehungsweise eine Rangfolge verschiedener moralischer Ansprüche gerechtfertigt werden kann. Außerdem sollen Vorschläge erarbeitet werden, welche Möglichkeiten für das Rheinische Revier bestehen, den Strukturwandel ethisch gerechtfertigt wie auch politisch, technisch und juristisch umsetzbar zu gestalten. In diesem Kontext ist ebenfalls zu untersuchen, inwieweit Widerstände, die sich gegen moralisch gerechtfertigte Maßnahmen innerhalb der Bevölkerung formieren, selbst moralisches Gewicht haben und somit bei der Formulierung von Handlungsempfehlungen berücksichtigt werden müssen.


Aufgabe

Forschungsschwerpunkte sind die Analyse normativer Zielkonflikte in Bezug auf die Energiewende Deutschlands, sowie die Frage, ob Widerstände gegen zunächst als moralisch gerechtfertigt identifizierte Maßnahmen Einfluss auf die Umsetzung dieser Maßnahmen haben sollten. Dafür muss in einem ersten Schritt auf einer moraltheoretischen Grundlage gezeigt werden, welche verschiedenen Ansprüche für sich genommen moralisch gerechtfertigt werden können. Anschließend wird aufgezeigt, welche dieser gerechtfertigten Ansprüche miteinander in Konflikt stehen und warum. In einem weiteren Schritt muss eine Methode entwickelt und begründet werden, mit deren Hilfe sich diese Konflikte auflösen lassen. Idealerweise sollte gezeigt werden, wie sich die verschiedenen moralischen Aspekte hierarchisch ordnen lassen. Somit ließe sich dann begründen, welche Ansprüche möglicherweise vernachlässigt werden müssen. Darauf aufbauend können dann konkrete Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Akteure entwickelt und eventuelle Widerstände beurteilt werden.

Methodisch soll so vorgegangen werden, dass einerseits notwendige Maßnahmen auf globaler Ebene richtungsweisend für nationale und lokale Maßnahmen sind. Andererseits aber auch nationale und lokale Problematiken auf globaler Ebene berücksichtigt werden.

Für die Analyse der verschiedenen Zielkonflikte wird die enge Kooperation mit anderen Fachbereichen wie den Sozialwissenschaften, der Juristik und für einen Überblick über die technischen Voraussetzungen auch den Ingenieurswissenschaften äußerst wichtig sein. Außerdem soll die Analyse moralisch relevanter Aspekte in enger Zusammenarbeit mit Akteur*innen vor Ort, wie zum Beispiel Vertreter*innen von Gemeinden, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen, geschehen.


Doktorandin



Erstbetreuung